Erich Thurner erklärt, warum er für mehr Mut von Arbeitgebenden ist.
In unserer Rubik 3 Fragen an unseres Magazins interviewen wir interviewen wir inspirirende Personen, die uns Impulse für eine verbesserte Inklusion am Arbeitsplatz geben. Den Anfang macht Erich Thurner. Er erklärt uns, warum er für mehr Mut von Arbeitgebenden ist.
Erich Thurner ist Jurist, Dolmetscher und Übersetzer und blind. Er ist Geschäftsführer von MindTag, die vor kurzem von Quikstep übernommen wurde. MindTag hat sich zur Aufgabe gemacht, ein inklusives Informations- und Wegeleitsystem in Gebäuden zu installieren. Seit 2004 lebt Erich Thurner in Berlin und gründete hier das mehrsprache Kulturportal „CarpeBerlin“. Zuvor hatte er acht Jahre den Lehrstuhl für Englische Rechtsterminologie am Dolmetscherinstitut in Saarbrücken inne. Zwischen 2010 und 2014 leitete er die technische Umsetzung des Forschungsprojektes „Episteme in Bewegung“ im Museum für Islamische Kunst (FU „FSB980“, Pergamon Museum, Berlin). Davor wirkte Herr Thurner im juristischen Kontext bei Clifford Chance (London) und am Internationalen Gerichtshof (Friedenspalast, Den Haag).
Was bedeutet für Dich Inklusion?
Inklusion zielt aus meiner Sicht auf die Schaffung einer neuen Bewusstseinsebene, welche zum einen das Individuum als Maß aller Dinge zurückstellt und zum anderen Mitmenschen in ihren spezifischen Bedürfnissen in den Fokus rückt und zu verstehen versucht. Dies ist die Grundlage, um für sich selbst und die anderen in der Gemeinschaft einzustehen und in einem tragenden Miteinander zu leben.
Inklusion und Digitalisierung: Chance oder Risiko?
Für eine gleichberechtigte Teilhabe stellen die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung grundsätzlich eine Chance dar. Jede:r, ob mit oder ohne Einschränkung, ist alltäglich mit dem Bedürfnis konfrontiert, räumlich, wie informativ Orientierung zu erlangen.
Die Überwindung dieser Informationsbarrieren – und solche sind zuweilen größer, als ein nicht herabgesenkter Gehweg – sind beispielsweise durch den Einsatz digitaler Leitsysteme im Innen- wie Außenbereich möglich. Diese „digitalen Rampen“ müssen aber auch angeboten werden!
Vor 50 Jahren ist die Menschheit mit weniger Technik, als nahezu ein:e jede:r heute in der Hosentasche mit sich führt, zum Mond geflogen. Es ist sicher nicht nur für mich schwierig nachzuvollziehen, dass wir es heute nicht schaffen, Menschen mit Einschränkung selbständig zur Toilette gehen zu lassen. Das kann doch nicht sein!
Welche Tipps/Anregungen hast Du für Arbeitgeber:innen, damit Inklusion im Betrieb funktionieren kann.
Ich wünsche mir mehr Mut auf Seiten der Arbeitgebenden. Und ich wünschte mir, dass mehr Arbeitgebende sich trauen, nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen für simple Tätigkeiten einzustellen, sondern auch wichtige Posten mit ihnen zu besetzen. Das Risiko, enttäuscht zu werden ist viel, viel niedriger als man glaubt. Probiert es doch aus!
Und dann wünsche ich mir, dass Arbeitgebende, die sich trauen, nicht noch Steine in den Weg gelegt werden mit komplizierten Schutzvorschriften etc., sondern dieser Schritt attraktiv gemacht wird und das nicht nur auf finanzieller Ebene. So, wie es jetzt ist, stellt sich mir die Frage, ob nicht eben diese komplizierten Schutzvorschriften oftmals der Grund sind, warum Menschen mit Behinderung gar nicht erst eingestellt werden und es gar nicht dazu kommt, dass sie den Schutz im Arbeitsleben benötigen.